Virtuelle historische Führung durch den Brüsseler Kiez

 

Ein interessantes Stück Wedding entdecken!

 

Da im Moment aufgrund der Corona-Pandemie keine Kiezführungen stattfinden können, möchte ich Sie und Euch hiermit zu einer virtuellen historischen Führung durch den Brüsseler Kiez einladen.

Sie beinhaltet im Wesentlichen die Stationen der Historischen Führung durch den Brüsseler Kiez, die ich bereits im September 2020 angeboten habe.

 

Etliche Gebäude im Brüsseler Kiez erzählen von der Geschichte des Kiezes, die man den Häusern nicht auf den ersten Blick ansieht.

Sie sind historische Zeitzeugen aus Stein.

 

Zu jeder Station wird die Adresse und ein Link zum Stadtplan angegeben, so dass Sie sich orientieren können, wo sich die Station genau befindet.

Vielleicht möchten Sie ja auch den einen oder anderen Ort ja beim täglichen Gesundheitsspaziergang in natura sehen.

Viel Spaß und bleiben Sie gesund!

Ihre Diana Schaal

 

Seestraße

 

Wir beginnen mit der Führung auf der Seestraße vor der Kapernaum-Kirche.

 

Die Seestraße heißt so, weil sie zum Plötzensee führt.

Eine Plötze ist eine Karpfenart.

Offenbar waren mal sehr viele von ihnen in diesem See.

Plötzensee mit Strandbad rechts im Bild  © Diana Schaal
Plötzensee mit Strandbad rechts im Bild © Diana Schaal

Immerhin ist der Plötzensee sauber genug, um darin zu baden.

 

Bereits Mitte des 19. Jh. gab es am Westufer eine Badestelle.

 

Einer Sage nach soll an der Stelle des Sees früher ein Dorf gestanden haben, das im See versunken ist. Die Bewohner/innen wurden dabei in Plötzen verwandelt.

Angeblich verlangt der See heute noch jedes Jahr ein Opfer.

 

Es stimmt, dass im Plötzensee immer wieder Menschen ertranken – insofern forderte der See tatsächlich Opfer.

Willi Bolien
Willi Bolien

Der Rettungsschwimmer Willi Bolien (1907 – 1944) hat mindestens einen Menschen im Plötzensee vor dem Ertrinken gerettet.

 

Er war gelernter Klempner und im Arbeitersport aktiv.  Außerdem hat er 1943 in seinem Betrieb, einem Zulieferer für die Luftfahrtindustrie eine Widerstandsgruppe aufgebaut.

 

Er leitete antifaschistische Flugblätter von den Kommunisten weiter, sammelte Geld für die Unterstützung von Widerständler/innen und sorgte für Kontakte zu den sowjetischen Zwangs-arbeiter/innen im Betrieb.

 

Als er 1944 verhaftet und in der Gestapo-Zentrale am Alexanderplatz gefoltert wurde, hat er sich aus dem Fenster gestürzt – und damit das Leben von mindestens drei anderen Mitgliedern seiner Widerstandsgruppe gerettet.

Ein wahrhaft heldenhafter Mann!

 

Bleiben wir noch einem Moment bei der Kirche.

 

Kapernaum-Kirche

 

Die Kirche steht auf der Seestraße Ecke Antwerpener Straße.

 

Graf Eduard Karl von Oppersdorff besaß Ende des 19. Jh. größere Flächen an der Müllerstr. 137 und entlang der Seestraße. Er schenkte der Nazareth-Gemeinde eine Fläche für den Bau einer Kirche und obendrauf noch einen hohen Geldbetrag. Bedingung war, dass der Kirchenbau spätestens zum 1. Oktober 1897 zu beginnen hatte.

Kapernaum-Kirche
Kapernaum-Kirche

Der Grundstein dieser neogotischen Kirche wurde dann ziemlich hastig und wenig feierlich ganz knapp einen Tag vor der Deadline gelegt, die Graf von Oppersdorff gesetzt hatte, nämlich am 30. September 1897.

 

Im Jahr 1900 wurde dann schließlich mit den Bau begonnen.

 

Eingeweiht wurde die Kirche dann 1902 in Gegenwart von Kaiser Wilhelm II., der Kaiserin Auguste Viktoria und des Kron-prinzen.

 

Dabei bekam sie den Namen Kapernaum-Kirche.

 

 

Kapernaum-Kirche heute © Diana Schaal
Kapernaum-Kirche heute © Diana Schaal

1903 hat sich diese Gemeinde dann von der Nazareth-Gemeinde abgetrennt.

 

1944 wurde die Kirche von einer Fliegerbombe getroffen und stark beschädigt.

 

In den 1950er Jahren wurde die Kirche dann in einer etwas vereinfachten Form wieder aufgebaut.

 

Der große Eckturm bekam ein steiles Satteldach, wie Sie hier auf dem Foto sehen können. 

 

Wir gehen weiter die Seestraße Richtung Plötzensee und biegen dann in die Amrumer Straße ein.

 

 

Zuckerinstitut mit Zuckermuseum

 

Dieses historische Gebäude mit der Adresse Amrumer Straße 32 erkennt man schon von weitem an seiner kupfernen Haube.

 

1867 wurde hier das Institut für Zuckerindustrie als Forschungsanstalt der deutschen Zuckerindustrie gegründet. Das Gebäude ist im Stil des Neo-Barocks errichtet.

Sandstein-Portal des Zuckerinistituts  © Diana Schaal
Sandstein-Portal des Zuckerinistituts © Diana Schaal

Auf der Schrifttafel über dem roten Sandsteinportal stand ursprünglich der Name des Instituts. Über der Schrifttafel sieht man Athene, die Göttin der Wissenschaft. Darunter sind je zwei Füllhörner, aus denen Zuckerrüben fallen – und ganz unten je zwei Mäuse, die sie anknabbern.

 

Zwar wurde schon im 16. Jh. in der Karibik das Zuckerrohr angebaut.

Aber dieser Zucker musste als sog. Kolonialware erst einmal nach Europa geschafft werden! Also war er entsprechend teuer.

Franz Carl Achard
Franz Carl Achard

Der Berliner Physiker Franz Carl Achard (1753 1821) hat dann ab 1780 mit verschie-denen einheimischen zuckerhaltigen Pflanzen experimentiert, die er auf seinem Gut in Kaulsdorf angebaut hatte.

 

Die Zuckerrübe erwies sich dabei als ergiebigste: 1798 gelang es ihm, in einer Berliner Sirupkocherei aus 1.000 Zentnern Zuckerrüben – also 50.000 kg – 1.600 Pfund Rübenzucker zu gewinnen, also 800 kg.

 

Durch die die Entdeckung des Rübenzuckers wurde aus dem einstigen Luxusgut eine Massenware.

 

Das Institut befasste sich in seinen Laboratorien nicht nur mit angewandter Forschung, sondern war auch Lehranstalt. Es war auch in Sachen Frauenemanzipation fortschrittlich: Bereits 1901 hat es den I. Damenkursus zur Ausbildung von Zucker-Chemikerinnen angeboten.

 

Gleichzeitig mit der Gründung des Instituts wurde ein Zuckermuseum aufgebaut.

 

Seit 1995 gehört es zum Deutschen Technikmuseum und hat 2012 seinen Museums-bestand in die Hauptstelle nach Kreuzberg geschafft.

 

Das Gebäude gehört heute dem Deutschen Herzzentrum Berlin.

Der heutige Name auf der Schrifttafel – „Thomas Michael Höhn-Haus“ geht auf dessen früheren Verwaltungs-direktor des Deutschen Herzzentrums Berlins zurück.

 

Wir gehen weiter die Amrumer Straße runter und biegen dann in die Brüsseler Straße ein. Unser Ziel dort ist die Brüsseler Str. 21.

 

Anti-Kriegs-Museum

 

Gegründet wurde das Anti-Kriegs-Museum von Ernst Friedrich (1894 – 1967).

Ernst Friedrich
Ernst Friedrich

Er wurde als dreizehntes Kind einer Waschfrau und eines Sattlers geboren.

 

Nach dem Abschluss der Volksschule begann er 1908 eine Buchdruckerlehre, die er jedoch bald abbrach, um eine Ausbildung zum Schauspieler anzufangen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit Fabrikarbeit.

 

Im Ersten Weltkrieg verweigerte Ernst Friedrich den Kriegsdienst aus Gewissensgründen. Deshalb wurde er in eine Beobachtungsstation für Geisteskranke einge-wiesen.

 

1924 veröffentlichte er sein bekanntestes Buch Krieg dem Kriege,

eine Bilderdokumentation über die Schrecken des Krieges.

Das Antikriegsmuseum 1931
Das Antikriegsmuseum 1931

1925 gründete er das Anti-Kriegs-Museum in Berlin. Das befand sich jedoch noch nicht im Brüsseler Kiez, sondern in der Parochialgasse, in der Nähe des Molkenmarkts.

 

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde Ernst Friedrich verhaftet. Sie zerstörten sein Museum und funktionierten es zu einem SA-Sturmlokal um, wo auch politische Gegner gefoltert wurden.

 

Nach seiner Freilassung floh Ernst Friedrich aus Deutschland. In Frankreich schloss er sich schließlich Résistance an und bewirtschaftete einen Bauernhof.

 

1954 hat er für den Verlust seines Besitzes und erlittene körperliche Schäden unter der Nazi-Herrschaft eine Entschädigung erhalten. Auf einer Seine-Insel errichtete er ein internationales Jugendzentrum – die sog. Friedensinsel.

Das Antikriegsmuseum heute
Das Antikriegsmuseum heute

 

1982 wurde das Anti-Kriegs-Museum in Berlin wieder eröffnet – dieses Mal im Wedding am jetzigen Standort Brüsseler Str. 21.

 

Es wird von Ernst Friedrichs Enkel Tommy Spree zusammen mit engagierten Ehrenamtlichen betrieben.

 

Hier noch ein ganz besonderes Foto, das zur Zeit seiner Aufnahme vor dem Zweiten Weltkrieg nicht Besonderes war: Den Brüsseler Kiez autofrei!

Die Postkarte zeigt die Antwerpener Straße Ecke Brüsseler Straße, vor 1944.

 

Wir gehen die Brüsseler Straße weiter bis zur Kreuzung Antwerpener Straße und biegen dann rechts Richtung Zeppelinplatz ab.

 

Hier steht auf der rechten Seite das Haus Beuth.

 

Berliner Hochschule für Technik

 

Das mächtige Gebäude mit der Adresse Lütticher Str. 38 wurde in den Jahren 1908 bis 1910 als sog. Schulschloss vom Berliner Schularchitekten Ludwig Hoffmann errichtet. Darin waren zwei Gemeindeschulen, die Diesterweg-Realschule und die Technische Mittelschule untergebracht.

Berliner Hochschule für Technik © Diana Schaal
Berliner Hochschule für Technik © Diana Schaal

In der letzteren wurden Ingenieure und technische Bedienstete für gewerbliche Einrichtungen, Fabriken und Kraftwerke ausgebildet.

 

1913 wurde sie in Beuth-Schule umbenannt, nach Christian Peter Beuth,

dem Vater der preußischen Gewerbeförderung.

Sie ist der älteste Teil der späteren Beuth-Hochschule für Technik, die heute dort ihren Sitz hat.

 

2020 wurde diese Hochschule umbenannt in Berliner Hochschule für Technik,

weil Christian Peter Beuth sich - einem neuen Gutachten zufolge - in seiner Politik gegen Juden gewendet hat.

 

Zeppelinplatz

 

Der Zeppelinplatz ist nach Ferdinand Graf von Zeppelin  (1838 1917) benannt, zur Erinnerung an die Fahrt mit seinem Luftschiff nach Berlin am 29. August 1909.

 

Graf von Zeppelins Luftschiff 1909 über dem Berliner Stadtschloss
Graf von Zeppelins Luftschiff 1909 über dem Berliner Stadtschloss

Graf von Zeppelin landete an diesem Tag mit seinem Luftschiff im Tegeler Forst, einem Gelände, auf dem sich heute der internationale Flughafen "Otto Lilienthal" Berlin-Tegel befindet.

Ferdinand Graf von Zeppelin
Ferdinand Graf von Zeppelin

 

Der Graf wurde lange Zeit für seine Versuche, ein Luftschiff zu entwickeln, von allen Seiten verspottet.

 

Doch er ließ sich nicht entmutigen und glaubte an sein Ziel.

 

Schließlich interessierte sich das Militär für seine Erfindung und kaufte ein Luftschiff.

 

Ab 1909 wurden Zeppeline auch in der zivilen Luftfahrt eingesetzt.

 

 

Die Deutsche Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft (DELAG) beförderte bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 auf mehr als 1.500 Fahrten insgesamt fast 35.000 Personen.

Zeppeline wurden in den 1930er Jahren sogar für Transatlantikflüge eingesetzt!

 

Mit der Katastrophe der „Hindenburg“, die bei der Landung im amerikanischen Lakehurst 1937 in Flammen aufging, war das Kapitel der Luftschiffe als verbreitetes Verkehrsmittel beendet.

Zeppelinplatz © Diana Schaal
Zeppelinplatz © Diana Schaal

Der Berliner Stadtgartendirektor Hermann Mächtig hat von 1909 bis 1912 den Zeppelinplatz gestaltet. Damals gab es hier noch eine richtige Straßenkreuzung.

 

In den 1980er Jahren wurde der Zeppelinplatz nach Entwürfen des Landschafts-architekten Michael Hennemann umfassend umgestaltet und die Antwerpener Straße verkürzt, so dass sie vor dem Platz endete.

 

Wir gehen auf die andere Seite des Zeppelinplatzes zur Adresse Zeppelinplatz 1-6a. 

 

Reformwohnungsbau am Zeppelinplatz

 

In den 1920er Jahren setzte der Reformwohnungsbau ein:

 

Man wollte weg von den alten, verschachtelten Mietskasernen ohne Luft und Licht hin zu einer Bebauung mit hellen Wohnungen und ausreichend Grünflächen in den Innen-höfen, wie sie eine reformierte Bauordnung im Jahr 1925 zugelassen hat.

 

Die Wohnanlage Zeppelinplatz 1-6a wurde im Auftrag des Erbbauvereins Moabit im Jahr 1925 fertiggestellt.

Reformwohnungsbau Zeppelinplatz 6a  © Diana Schaal
Reformwohnungsbau Zeppelinplatz 6a © Diana Schaal

Die viergeschossige Blockrandbebauung an Zeppelinplatz, Genter, Ostender und Limburger Straße umschließt einen lang gestreckten, nahezu trapezförmigen Innenhof.

 

Durch den Innenhof können die Wohnungen querbelüftet werden.

 

Die Wohnanlage ist im Stil des Reformwohnungsbaus der 1920er Jahre sachlich-funktional gestaltet – bis auf die Eingänge zum Zeppelinplatz hin, die sind mit ihren Bögen und Säulen etwas aufwändiger.

 

Wir gehen um die Ecke und ein Stück die Ostender Straße hoch und über die Genter Straße Richtung Müllerstraße zur Ostender Str. 2 und 2a. 

 

Stolpersteine für die Familien Schwarz

 

In den beiden Häusern Ostender Str. 2 und 2a lebten zwei jüdische Familien mit dem Namen Schwarz, die jedoch nicht miteinander verwandt waren.

Stolpersteine für Emil, Vera und Toni Schwarz © Diana Schaal
Stolpersteine für Emil, Vera und Toni Schwarz © Diana Schaal

Hinteres Haus - Ostenender Str. 2

 

Das Ehepaar Emil und Toni Schwarz lebte bereits seit 1934 mit seinen Kindern in der Wohnung in der Ostender Str. 2.

 

1938 besaß Emil Schwarz ein Textilgeschäft im damaligen Haus Reinickendorfer Str. 4 Ecke Müllerstr. 30. 1939 konnten ihre beiden Kinder Hildegard und Günther Schwarz aus Deutschland fliehen.

 

Die Eheleute Schwarz und die verbliebene Tochter Vera mussten nach der Enteig-nung der Familie Zwangsarbeit leisten.

 

Am 28. März 1942 wurden Emil und Toni Schwarz zusammen mit ihrer Tochter Vera

in jüdische Ghetto nach Piaski in Polen deportiert, wo sie ermordet wurden.

Stolpersteine für Leew und Tana Schwarz © Diana Schaal
Stolpersteine für Leew und Tana Schwarz © Diana Schaal

Vorderes Haus - Ostenender Str. 2a

 

Leew Schwarz musste 1943 Zwangsarbeit bei der Deutschen Gummiwarenfabrik in Weißensee leisten. Er war verheiratet mit Tana Schwarz.

 

Das Vermögen der Eheleute in Höhe von 16.000 Reichsmark war eingezogen worden.

Sie wohnten zur Untermiete in einem möblierten Zimmer in der Ostender Straße 2a.

 

Leew Schwarz wurde am 3. März 1943 zusammen mit seiner Frau Tana mit dem

33. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Dort wurden sie ermordet.

 

Alle 5 Stolpersteine wurden 2007 verlegt.

 

Wir gehen zurück, dann die Genter Straße am Wochenmarkt entlang bis zu einem kleinen Weg. Hier biegen wir links ein und kommen dann zum Rathaus Wedding.

 

Rathaus Wedding

 

Rathaus Wedding  © Diana Schaal
Rathaus Wedding © Diana Schaal

1920 wurde mit der Schaffung von Groß-Berlin auch der Bezirk Wedding gegründet.

 

Das Rathaus des Bezirks Wedding wurde von 1928 bis 1930 im Stil der neuen Sachlichkeit erbaut.

 

Es hat die Adresse Müllerstraße 146 147.

 

 

 

1966 hat man es durch ein Hochhaus mit vorgelagertem Pavillon ergänzt.

Darin ist heute das Jobcenter untergebracht.

 

Gedenkstele für Otto & Elise Hampel

 

Gedenkstele für das Ehepaar Hampel © Diana Schaal
Gedenkstele für das Ehepaar Hampel © Diana Schaal

Fast vor der Ecke des Rathauses stand bis Ende April 2020 eine Gedenkstele aus weißem Milchglas mit der straßenseitigen Aufschrift:

 

„Wache auf!

Wir müssen uns von der Hitlerei befreien.“

 

Auf der Rückseite befanden sich weitere Informationen.

 

Leider wurde die Gedenkstele Ende April 2020 umgekippt und offenbar durch Tritte zerbrochen. Ein politischer Hintergrund - z.B. durch Neonazis - kann nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht waren es aber nur hirnlose Vandalen.

Die Gedenkstele ist inzwischen wiederherge-stellt worden.

 

Diese Gedenkstele erinnert in der Tat an ein Arbeiterehepaar aus dem Wedding, das Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hat:

 

Otto und Elise Hampel.

 

Elise und Otto Hampel
Elise und Otto Hampel

Otto Hampel (1897 – 1943) hatte drei Jahre Volksschule hinter sich und verdingte sich als Hilfsarbeiter, bevor er 1916 als Soldat zum Ersten Weltkrieg eingezogen wurde.

1923 fand er eine Stelle im Kabelwerk Siemens-Schuckert.

 

Seine Frau Elise (1903 – 1943) hatte ebenfalls nur wenige Jahre Volksschule, sie arbeitete als Hausmädchen und als Näherin.

Die Hampels waren zuerst Mitläufer des nationalsozialistischen Regimes: Otto war Mitglied der NS-Gewerkschaftsorganisation Deutsche Arbeitsfront, Elise war in der NS-Frauenschaft.

 

Doch als Elises jüngerer Bruder Kurt 1940 im Feldzug gegen Frankreich fiel, wurde das zum Schlüsselerlebnis für die Hampels:

 

Sie schrieben mit der Hand Postkarten und Flugblätter mit Anti-Hitler-Texten und gegen den Krieg und legten diese heimlich in Hausflure, Treppenhäuser und Briefkästen, hauptsächlich im Wedding, aber auch in Moabit, Schöneberg und am Schlesischen Tor.

 

Die Blockschrift war ungelenk, Satzbau, Grammatik und Rechtschreibung waren fehlerhaft, doch die Botschaft blieb deutlich:

 

"Nieder mit der Hitler Regierung! Nieder mit dem Zwangs Elends Dicktat in unser Deutschland!"

 

"Alle helfen mit der Verbrecherischen Kriegs-Maschine ein Ende zubereiten!!!
Wir müssen uns zur Wehr setzen!!!"
  

Originalpostkarte von Otto und Elise Hampel
Originalpostkarte von Otto und Elise Hampel

 

Wer beim Hören ausländischer Radiosender erwischt wurde, hatte mit Zuchthaus zu rechnen. Beim Verteilen solcher Botschaften erwischt zu werden, war  mit Sicherheit tödlich - wieviel Mut musste es erfordert haben, dieses Risiko einzugehen!

 

Die Hampels hatten ca. 200 Postkarten bzw. Flugblätter verteilt, als sie im September 1942 von Gertrud Waschke aus Schöneberg beim Ablegen einer Postkarte im Hausflur beobachtet und denunziert wurden. Man klagte das Ehepaar wegen Wehrkraft-zersetzung und Hochverrat an. Zu Beginn des Verfahrens sagte Elise Hampel aus, die Postkarten seien ihr gemeinsames Werk, während Otto Hampel versuchte, seine Frau zu schützen, indem er behauptete, allein dafür verantwortlich zu sein. Doch angesichts der Todesstrafe zerbrach ihre Solidarität, und sie beschuldigten sich gegenseitig der Anstiftung.

 

Im April 1943 wurden Otto und Elise Hampel im Gefängnis Plötzensee durch das Fallbeil hingerichtet.

 

Hans Fallada hat die Geschichte des Ehepaars Hampel mit dem treffenden Titel „Jeder stirbt für sich allein“ als Roman festgehalten. Das Buch wurde zum internationalen Bestseller. Im Roman heißen die Hampels Otto und Anna Quangel.

 

Der Roman ist bereits mehrfach verfilmt worden, zuletzt 2015 unter dem Titel "Alone in Berlin", mit Brendan Gleeson und Emma Thompson in den Hauptrollen.
Eine Auflistung der Verfilmungen findet sich
hier.

 

Die Gedenkstele für das Ehepaar Hampel mit dem Originalzitat einer Postkarte „Wache auf! Wir müssen uns von der Hitlerei befreien!“ vor dem alten Rathaus Wedding wurde im Juli 2018 enthüllt.

 

Der schmale Weg vor dem Rathaus in den Brüsseler Kiez wurde 2018 in Elise und Otto Hampel-Weg umbenannt.

 

Wir wenden uns den Pappeln zu, die auf dem Platz stehen. 

 

Onkel Pelles Rummelplatz

 

Pappeln zum Gedenken an Onkel Pelle © Diana Schaal
Pappeln zum Gedenken an Onkel Pelle © Diana Schaal

Adolf Rautmann (1863 – 1937) war ein musizierender Clown, Zauberkünstler und Rummel-platzbetreiber.

 

Die Kinder nannten ihn „Onkel Pelle“.

 

Adolf Rautmann spielte auch Flöte und Geige.

Er war mit Heinrich Zille befreundet.

 

Von 1906 bis 1907 betrieb Adolf Rautmann hier auf dem Platz vor dem späteren Weddinger Rathaus einen Rummelplatz

 

Die Vorgänger dieser Pappeln wurden 1924 von Onkel Pelle gepflanzt. Dort gibt auch eine Gedenk-platte für Onkel Pelle.

 

 

Noch ein paar Worte zur

 

Müllerstraße

 

Windmühle  Müllerstraße 166 - Nähe Ringbahnbrücke
Windmühle Müllerstraße 166 - Nähe Ringbahnbrücke

Die Müllerstraße heißt nicht ohne Grund so:

 

Hier standen nämlich ab Mitte des

18. Jahrhunderts über 20 Windmühlen!

 

Der Standort eignete sich deshalb gut dafür, weil die ursprüngliche Heide im 18. Jh. abgeholzt worden war.

 

Die Gegend lag brach und war deshalb starkem Wind ausgesetzt.

 

Bis 1805 gab es in der Müllerstraße ganze vier Wohnhäuser!

 

1891 sah es um das Gärtnerhaus in der Müllerstraße 83 so aus:

Das "Schmale Handtuch", Müllerstr. 83
Das "Schmale Handtuch", Müllerstr. 83

 

Es wurde „Schmales Handtuch“ genannt.

 

Dieses Haus steht da, wo heute die Belfaster Straße abbiegt, ungefähr auf der Höhe des heutigen U-Bahnhofs Afrikanische Straße. 

 

Von diesem Haus erzählt Otto Monke Folgendes:

 

„Ein Stück weiter draußen in der Müllerstraße, eigentlich schon vor der Stadt, wo sich des Abends die Hunde und Füchse ‚Gute Nacht‘ sagen, steht noch heute ein … merkwürdiges Häuschen, das ist so viel schmaler als hoch, daß es aussieht wie ein langes, graues Tuch, das der letzte Ackerbürger vom ‚Wedding‘ hat mitten auf dem Felde liegen lassen. Deshalb nennen es die Leute auch das ‚Handtuch‘. Und wenn die Berliner am Sonntag nach Tegel fahren, dann fällt ihnen hier immer ein, daß sie zwar die Badehose in die Tasche gesteckt – aber natürlich das Handtuch vergessen haben.“

 

 

Ich freue mich über Kommentare in meinem Gästebuch!