Wilhelm Böse und seine Brücke

 

Die Brücke, die den ehemaligen Bezirk Wedding mit dem ehemaligen Bezirk Prenzlauer Berg verbindet, hieß ursprünglich Hindenburgbrücke. Im Volksmund heißt sie bis heute Bornholmer Brücke, nach dem dort gelegenen S-Bahnhof Bornholmer Straße.

 

Offiziell trägt sie den Namen, den man ihr zu DDR-Zeiten gegeben hat: Bösebrücke.

Der Name hat jedoch nichts mit irgendeiner Bösartigkeit dieser Brücke zu tun, wie man vielleicht fälschlicherweise annimmt.

 

Es ist der Name eines Weddinger Widerstandskämpfers, dem hier gedacht werden soll:

 

Wilhelm Böse - Sammlung Ralf Schmiedecke, Berlin
Wilhelm Böse - Sammlung Ralf Schmiedecke, Berlin

Wilhelm Böse (1883 - 1944)

 

Friedrich Wilhelm Böse wurde am 29. März 1883 in Nieder Kränig, Kreis Königsberg (Neumark) geboren. Das ist im heutigen Polen.

 

Aufgewachsen ist er in den Mietskasernen des Berliner Nordens. Sein Vater ist früh verstorben. Daher musste der kleine Wilhelm bereits mit 10 Jahren durch Botengänge zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.

 

Nach acht Jahren Volksschule lernte er Elektriker und arbeitete bei der AEG. Dort wurde er gewerkschaftlich aktiv und engagierte sich für soziale Verbesserungen

 

 

 

 

Deshalb setzte ihn der Unternehmerverband 1905 auf eine Schwarze Liste, so dass er in der Elektro- und Metallindustrie keine Anstellung mehr bekommen konnte.

 

Im Ersten Weltkrieg geriet Wilhelm Böse 1916 in russische Gefangenschaft und versuchte mehrmals zu fliehen. Schließlich konnte er nach Ende des Ersten Weltkriegs 1918 zurückkehren.

 

Er heiratete am 29. Juli 1920 seine erste Frau Klara, geborene Henke, Jahrgang 1884.

Bei ihrem Bruder hat er dann das Schneiderhandwerk erlernt. So kam es, dass er später als Bügler geführt wurde. Klara Böse starb 1926, über die Todesursache ist nichts bekannt. Die Ehe blieb kinderlos.

 

Am 1. September 1928 heiratete Wilhelm Böse seine zweite Frau Hedwig, geborene Schwandt, Jahrgang 1888. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Das Ehepaar lebte Berlin-Weißensee, und Wilhelm Böse wurde im Prenzlauer Berg Funktionär der Kommu-nistischen Partei Deutschlands, der KPD. Ab 1933 beteiligte er sich daran, die mittlerweile verbotene KPD im Untergrund zu organisieren.

 

Wilhelm und Hedwig Böse gehörten einer kommunistischen Widerstandsgruppe an.

Wilhelm Böse arbeitete mit bei der Herstellung und dem Vertrieb der Zeitung "Rote Fahne" und der „Sturmfahne“. Außerdem sammelte er Spenden für inhaftierte Anti-Faschistinnen und Anti-Faschisten sowie deren Angehörige.

 

1934 wurde das Ehepaar Böse verhaftet. In ihrer Wohnung waren Matrizen zum Druck von Flugblättern gefunden worden. Die beiden wurden zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Hedwig Böse überlebte das Gefängnis nicht. Sie starb dort an einer Lungenentzündung.

 

Nach der Haftentlassung heiratete Wilhelm Böse mit nunmehr 53 Jahren am 11. Juli 1936 seine dritte Frau, die Witwe Martha Schilling, geb. Hanebutt, Jahrgang 1890. Er hatte sie im Widerstand kennengelernt. Wilhelm Böse arbeitete damals als Bügler in der Damenkleiderfabrik Alfred Fisch.

 

Seine Zuchthausstrafe hat Wilhelm Böse nicht davon abgeschreckt, auch nach seiner Haft weiter im Deutschen Widerstand mitzuarbeiten.

 

Wilhelm und Martha Böse schlossen sich dann dem Widerstandsnetzwerk von Robert Uhrig an. Wilhelm Böse baute in der Textilfabrik, in der er als Bügler arbeitete, eine Betriebsgruppe auf und „infiltrierte“ als Kommandant die Betriebsfeuerwehr. Er arbeitete als Kurier zwischen dem Netzwerk von Robert Uhrig, den Kontakten von John Sieg, den Widerstandsgruppen bei der Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) sowie den illegalen Betriebsgruppen der KPD.

 

Das Netzwerk von Robert Uhrig wurde Anfang 1942 durch Verräter gesprengt. Dabei wurden ca. 200 Personen verhaftet – darunter auch Wilhelm Böse. Er wurde im Februar 1942 von der Gestapo verhaftet und für zwei Jahre in Konzentrationslagern inhaftiert. Am 21. Juni 1944 ist er vom Volksgerichtshof als Wiederholungstäter zum Tode verurteilt worden.

 

Am 14. August 1944 wurde Wilhelm Böse zusammen mit 41 anderen Verurteilten im Zuchthaus Brandenburg-Görden in Brandenburg an der Havel, Stadtteil Görden, hingerichtet.

 

Es ist Wilhelm Böse gelungen, seine zweite Frau aus dem Schlimmsten heraus-zuhalten. Martha Böse hat überlebt und gab Vertretern der DDR politisch korrekt und knapp Auskunft, so dass sie wenig Neues über ihren Mann und fast nichts über ihre eigene Rolle sagte. Außer: Wir haben uns gemeinsam dem Widerstand ange-schlossen. Kinder hinterließ das Paar nicht. Es sind keine Nachfahren von Wilhelm Böse bekannt. 

© Diana Schaal
© Diana Schaal

 

Wilhelm Böses letzte Adresse war die Grüntaler Str. 32.

 

Dort wurde im Juni 2023 auf Initiative des Soldiner Kiez e.V. ein Stolperstein für ihn verlegt.

 

Wilhelm Böse zu Ehren wurde 1948 die frühere Hindenburgbrücke am S-Bahnhof Bornholmer Straße von der DDR in Bösebrücke umbenannt.

 

Seit 2024 befinden sich endlich auch Informationstafeln zum Namensgeber an den Auf- und Abfahrten der Brücke.

 

Diese aktualisierte Biografie von Wilhelm Böse finden Sie auch hier.

Die Bösebrücke während der DDR mit dem Grenzübergang Bornholmer Straße
Die Bösebrücke während der DDR mit dem Grenzübergang Bornholmer Straße
Namensschild an der Brückenauffahrt  © Diana Schaal
Namensschild an der Brückenauffahrt © Diana Schaal

Hier am Grenzübergang Bornholmer Straße wurde am 9. November 1989 als erstes die Berliner Mauer geöffnet.

 

Die Bösebrücke am 10. November 1989   © Bundesarchiv
Die Bösebrücke am 10. November 1989 © Bundesarchiv