Was ist eigentlich ein Kiez?

 

Für alteingesessene Berliner/innen ist das keine Frage – aber es gibt ja immer mehr Neuberliner/innen!

 

In Hamburg ist "Kiez" die Bezeichnung für das Rotlichtviertel St. Pauli rund um die Reeperbahn.

 

In Berlin ist "Kiez" einfach nur der positive Begriff für ein überschaubares Stadtviertel mit einer eigenen Identität. 

 

                                                     Flussfischer im  15. Jh.
Flussfischer im 15. Jh.

Das Wort stammt von der Bezeichnung Kietz für mittelalterliche Dienstsiedlungen im Nordosten Deutschlands.

 

Die anfänglich meist slawischen Bewoh-ner/innen waren für eine unmittelbar benachbarte Burg zu Dienstleistungen verpflichtet, und mussten häufig die Abgaben in Form von Fischen leisten.

 

In Köpenick heißt die Straße entlang der Dahme, wo früher die slawischen Fischer wohnten, heute noch "Kietz".

 

Das Wort geht auf das slawische Wort "chyca" für „Fischerhütte“ zurück.

 

Wenn man sich mit der frühen Geschichte von Köpenick, Spandau oder auch Berlin befasst, stellt man eines fest:

 

Die Slawen waren immer schon da!

 

Nicht zuletzt  geht der Name "Berlin" auf das slawische Wort "berlo" für "Sumpf"  zurück. Der Name hat nichts mit Albrecht dem Bären zu tun, denn erst seine Urenkel, die askanischen Markgrafen Johann I. und Otto III. gründeten um 1230 die beiden Städte Cölln und Berlin. Die Stadtsiegel trugen das Wappentier der Askanier - das war der rote Adler.

 

Der Bär tauchte erst 1280 zum ersten Mal im Berliner Stadtsiegel auf. Möglicherweise sollte er den slawischen Namen des Ortes Berlin für die zugewanderte deutsch-sprachige Bevölkerung eingängiger machen. Eines wussten die Slawen jedenfalls schon damals - nämlich, dass der Grundwasserspiegel in Berlin sehr hoch ist.    

 

© Diana Schaal
© Diana Schaal

Der Begriff „Kiez“ bezieht sich heute in Berlin hauptsächlich auf Gebiete mit gewisser Altbausubstanz und ihre Bevölkerung.

So ein Kiez ist ein soziales Bezugssystem, das sich nicht unbedingt an vorgegebene Verwal-tungsgrenzen von Stadtbezirken hält.

 

Ein Kiez zeichnet sich dadurch aus, dass die Bewohner/innen dort über eine abgeschlossene städtische Infrastruktur mit Läden und Kneipen verfügen.

 

Daher hört man in Berlin oft die Wendung: „Der kommt aus seinem Kiez nicht raus“, was bedeutet: „Jemand verlässt seine Wohnum-gebung kaum“ – weil er eben dort alles vorfindet, was er für den Alltag braucht.

Vor allem seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts sind Bezeichnungen mit -kiez (meist angehängt an den Namen einer prägenden Straße oder eines zentralen Platzes) auch als Eigennamen bestimmter Gebiete beliebt geworden.

 

So ist der Soldiner Kiez benannt nach der Soldiner Straße, die den Kiez in Ost-West-Richtung durchzieht, von der Koloniestraße bis zur Grüntaler Straße (Stadtplanausschnitt).

 

Soldin war eine Stadt in Westpommern, sie liegt heute in Polen und heißt Myslibórz.

 

Die Bezeichnung "Kiez" ist dabei mittlerweile nicht nur auf Altbaugebiete beschränkt, sondern wird nun auch für Neubaugebiete oder Einzelhaussiedlungen verwendet. Von manchen Immobilienunternehmen wird er bewusst auch als werbende Bezeichnung für Neubauprojekte benutzt, denen damit eine besondere Atmosphäre verliehen werden soll.